Die meisten Menschen gehen fest davon aus, dass sich die mittelalterlichen Städte organisch über einen langen Zeitraum zu dem entwickelt haben, was sie heute sind; dies ist auch die offizielle Sichtweise, obwohl das Gründungsdatum vieler Städte oft bekannt ist, dokumentiert durch Stadtgründungsfeiern (ZILLMER, Seite 170). Die Schleswig-Holsteinischen Städte Kiel, Lübeck, Neustadt und Heiligenhafen gelten – entgegen der eingefahrenen Ansicht zur Stadtentwicklung - offiziell als Planstädte (KLOSE, Seite 69). Auch für Hamburg und den Vorläufer Hamburgs, die Neue Burg, liegen Gründungsdaten vor (Quelle). Entstand nicht auch Schleswig erst nach dem Fall Haithabus? Das heutige Schleswig wurde übrigens auf den Resten eines älteren Schleswigs errichtet, welches noch über einen zweiten Hafen verfügte (mehr zu dem Thema hier). Jedoch liegt weder für Alt Schleswig noch für Schleswig ein offizielles Gründungsdatum vor.

Wann begann aber der Städtebau? Ab dem Jahre 1030 (mit der ersten Planstadt Speyer) kam es zu einer explosionsartigen Städtegründung in Europa, denn Städte gab es damals so gut wie keine, wenn es auch einige Siedlungen wie Alt Oldenburg in Holstein (Umzug nach Neugründung 1160) und Alt Lübeck (Umzug nach Neugründung 1143) bereits vorher gegeben hat (HUMPERT, Seite 62). Professor Klaus Humpert, Städtebauarchitekt seines Zeichens, hat offen gelegt, wie - entgegen der offiziellen Geschichte - Städte nicht organisch über einen langen Zeitraum wuchsen, sondern, dass sie genau so gebaut wie sie geplant worden sind (HUMPERT, 2001)! Dies konnte er mehr als eindrucksvoll belegen, sehr zum Missfallen einiger seiner Berufskollegen.

Diese Arte Dokumentation, in der seine jahrzehntelange Ausarbeitung beschrieben wird, ist brillant! Es zeigt Humperts Kampf gegen Windmühlen, in der er am Ende als Sieger hervor geht. Aber auch, wie eingefahren unsere Historiker arbeiten und wie unanfechtbar unsere offizielle Geschichtsschreibung dadurch ist:

 

 

Die alten Städtebauerplaner bedienten sich der gleichen Vermessungskonstruktionen (wie Kreis- und Dreieckskonstruktionen, S-förmiger Kurven oder fächerförmigen Mustern). Verwaltungsgebäude, rastergeplante Marktplätze (welche den Herrschenden Kontrollmöglichkeiten brachten und durch den Straßenzwang zusätzliche Einnahmen durch Mautgebühren), Sonderbauten wie Kirchen, Brunnen, Stadtmauern: Alles kein Zufall, sondern ein Resultat genauster Planung. 

In ca. 300 Jahren wurden in Europa insgesamt 3000 Städte gegründet (ZILLMER, Seite 169). Dieser Städtebauboom fand im Jahre 1342, nach dem Einsetzen der Margaretenflut (https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2013-06/hochwasser-magdalenenflut) und dem darauf folgenden Ausbruch der Pest ein abruptes Ende.

Erst kamen die Burgen - Hunderte von ihnen - ähnlich wie die Forts Nord Amerikas (Turmhügelburgen - Stille Zeugen einer systematischen Eroberung), dann, nach Inbesitznahme des Landes, die Planstädte der neuen Feudalherren. So romantisch wir uns heute die damaligen Städte auch heute ausmalen, im Wesentlichen zementierten diese Städte die neu geschaffenen zentralen Machtstrukturen der neuen Herrschaft und boten dieser vorher nicht dagewesene Möglichkeiten der Kontrolle und Unterdrückung der Bevölkerung.

Ohne das Wirken dieses Mannes wüssten wir nichts von dieser revolutionären Erkenntnis der mittelalterlichen Stadtplanung: Meine höchste Anerkennung und Dankbarkeit für Ihren Einsatz und Ihr Durchhaltevermögen, Klaus Humpert (1929 - 2020). 

 

Diesen Beitrag teilen: