Artikel ergänzt am 31.3.24 - Obwohl ich aus der Gegend stamme, kannte ich dieses monumentale Bauwerk ehrlich gestanden nur vom Hörensagen; selbst einmal dagewesen bin ich nie. Erst vor zwei Jahren habe ich damit begonnen, mich intensiv damit zu beschäftigen und fing an, mich über entsprechende Literatur mehr und mehr darüber aufzuschlauen und mich dafür zu faszinieren. Die vielen Widersprüche, die diesbezüglich bestehen, bewogen mich schließlich dazu, mich letztes Jahr selbst auf Entdeckungstour entlang der Anlege zu begeben.
 
Worum geht es? Es geht um das größte Bodendenkmal Nordeuropas: Das sogenannte Danewerk mit seinen Kanälen bzw. Gräben, welches kürzlich zum UNESCO Welterbe erklärt wurde. Dennoch; kaum einer dürfte hiervon überhaupt gehört haben (abgesehen von den Dänen und Nordlichtern unter euch natürlich :).
Am deutlichsten werden die Ausführungen zu diesem Thema, wenn man sich die erstellte Karte unten mit den interessantesten Abschnitten des sogenannten Danewerks inklusiv sämtlicher Ungereimtheiten, entsprechender Bilder, Buchauszügen und Zeitungsartikeln mal zu Gemüte führt. 
 
Ich würde jedem, der etwas über unsere wahre Kultur lernen möchte, empfehlen, sich mit diesen Informationen auseinanderzusetzen und sich idealerweise auch mal direkt zu den hier aufgeführten, nicht öffentlich bekannten Stellen des Danewerks zu begeben!

 

Hier die Karte: "Archäologische und historische Denkmäler auf der Schleswiger Landenge" (ZENTRALMUSEUM MAINZ K. SCHIETZEL, Zusatzkarte). Nach meinem Besuch am 31.03.2024 und meinen neue gewonnen Erkenntnissen vor Ort (siehe hier) habe ich diese Karte mit Positionen zu möglichen Brücken aktualisiert.

Das Danewerk: viel älter als gedacht!

Laut den Fränkischen Reichsannalen, in denen es das erste Mal schriftlich erwähnt wird, wurde der erste Abschnitt des Bauwerks um das Jahr 800 vom ersten dänischen König Gudfred errichtet. Hier geht es schon los: Die wahre Altersdatierierung passt nicht ansatzweise zu dieser Angabe, selbst wenn der Bau dieser Anlage Harald Hildetand, dessen Existenz nicht historisch gesichert ist, ein paar Jahrzente vorher zugeschrieben werden würde! Durch die Auswertung von organischen Stoffen innerhalb der Wallanlage konnte die Errichtung des Danewerkes spätestens auf das Jahr 500(!!!) festgelegt werden. Allerdings wurde lediglich der zweitälteste Teil des Danewerks untersucht und nicht einmal der Älteste, was bedeutet, dass dieses Monument noch älter ist und noch viel viel älter sein kann!
 
Auch wenn nur ein Regionalblatt darüber berichtete (unten zu sehen), wirft diese Tatsache natürlich die fundamentale Frage auf, wofür dieser angebliche Verteidigungswall hätte dienen können, ohne das neu gegründete dänische Königreich, für welches dieses angebliche Bollwerk ja zur Abwehr der kriegerischen Wenden und Sachsen errichtet wurde (den Zeitungsbericht über diese archäologisch gesicherte Erkenntnis findest du unten). Fakt ist auf jeden Fall: Dieses Bauwerk hatte seinen Ursprung bewiesenermaßen NICHT in der Wikinger-Zeit (793-1066 n.Ch.).
 
Es geht aber weiter: Befasst man sich mit archäologischer Literatur zu diesem Thema, staunt man umso mehr, wenn man auf derartige Aussagen stößt: "Es ist bisher nicht gelungen, Streckenführungen bzw. deren jeweilige Ausbauten mit Verteidigungskonzeptionen in Bezug zu setzen, die durch Geschichtsquellen belegt wären." (ZENTRALMUSEUM MAINZ K. SCHIETZEL, Seite 184)! Diesen Satz sollte jeder Interessierte einmal auf sich wirken lassen.
 
Spätestens jetzt sollte einem klar werden, weshalb die englische Wikipedia Seite die Kernaussagen dieses Artikels als Tatsachen anpreist, nicht aber, warum man auf der deutschen Seite noch nicht einmal ein Wort darüber verliert (https://en.wikipedia.org/wiki/Danevirke)!
 
Passend hierzu auch ein Artikel des Spiegels aus dem Jahre 1966, der quasi wie selbstverständlich über die Funktion eines Wikinger Nord-Ostsee Kanals südlich des Danewerks schrieb (diesen Artikel findest du unten). 
 
Das Danewerk befindet sich direkt in der sogenannten Schleswiger Landenge, erstreckt sich dort über 30km und ist zu ca. 80% noch erhalten geblieben. Nicht nur der Wall, auch der eben weit vorgelagerter Kanal (offiziell allerdings ein Verteidigungsgraben), der so genannte Kograben, ist Teil dieses Bauwerks. Dieser 7km lange, kerzengerade Kanal verbindete die Ostsee (Schlei) mit der Nordsee (Eider, Treene, Rheider Au). So war der damalige Nordseehafen Hollingstedt weit im Landesinneren von Schleswig-Holstein zu finden und die Treene war sogar noch Ebbe und Flut ausgesetzt (LIBSY, Seite 34)! Die Rheider Au (heutzutage noch ein kleiner Bach) war bis zu Beginn jenes Kograbens noch schiffbar. Das Landschaftsbild hat die alte Struktur des kompletten Wasserweges bis heute konserviert (GOLDMANN, Seite 9).

Noch ein interessantes, wenn auch nicht weiter bekanntes Detail: Die Archäologie hat bis zum heutigen Tage keine Wegesspuren zwischen beiden wichtigen Handelspunkten Hollingstedt und Haithabu/Schleswig ausmachen können. Da ein entsprechender Weg zwischen beiden Handelszentren aber unbedingt von Nöten gewesen sein muss, bleibt die These eines Weges nördlich und somit im Schütze des Danewerks verlaufenden Weges archäologisch unbestätigt und ist nur eine "Vermutung" (SCHNELL, Seite 99).
 

Die ausgeklügelte Verkehrsanlage in der Schleswiger Landenge

Was am naheliegensten bleibt, ist die Funktion eines sogenannten Straßendammes anstelle eines Verteidigungswalls! Dieser ermöglichte die Durchquerung des teils versumpften Gebietes problemlos zu Fuß, mit Karren oder Pferd! Diese Schlussfolgerung würde die fehlenden Spuren eines West-Ost Weges erklären!

Archäologen, wie der Däne Henning Hellmuth Andersen, gehen sogar noch weiter und erklären, wie auf der englischen Wikipedia Seite nachzulesen, dass sogar ein zusätzlicher Graben den Hauptteil des Danewerks flankierte, der ebenfalls, wie der Kograben, als Nord-Ostsee-Kanal fungierte! (https://en.wikipedia.org/wiki/Danevirke)! Wer sich den Verlauf des Hauptwalls bis zum ehemaligen Dannewerker See, bis ins Jahr 1154 ging die Schlei noch bis an diese Stelle (VON MAACK, P H. K., Seite 90), und von da über entsprechende Bauwerke (die immernoch existieren, aber weitesgehend unbekannt sind) und natürliche Wasserstraßen auf der Karte oben angesehen hat, wird feststellen, dass diese Schlussfolgerung Andersens mehr als Sinn macht! Genial!

 

SHZ: Danewerk viel älter als gedacht
Konträre Erkenntnisse genau so publiziert auf englischer Wikipedia Seite!
Der Spiegel: Funktion Kograben
Kograben heute
Ursprünglich eine Mautstation?
Nicht öffentlich bekannte Wälle bei Schleswig (ZENTRALMUSEUM MAINZ, im Buch beiliegend)
Nicht öffentlich bekannter Kurzer Graben (ZENTRALMUSEUM MAINZ, im Buch beiliegend)
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SHZ: Danewerk viel älter als gedacht
SHZ: Danewerk viel älter als gedacht
Konträre Erkenntnisse genau so publiziert auf englischer Wikipedia Seite!
Konträre Erkenntnisse genau so publiziert auf englischer Wikipedia Seite!
Der Spiegel: Funktion Kograben
Der Spiegel: Funktion Kograben
Kograben heute
Kograben heute
Ursprünglich eine Mautstation?
Ursprünglich eine Mautstation?
Nicht öffentlich bekannte Wälle bei Schleswig (ZENTRALMUSEUM MAINZ, im Buch beiliegend)
Nicht öffentlich bekannte Wälle bei Schleswig (ZENTRALMUSEUM MAINZ, im Buch beiliegend)
Nicht öffentlich bekannter Kurzer Graben  (ZENTRALMUSEUM MAINZ, im Buch beiliegend)
Nicht öffentlich bekannter Kurzer Graben (ZENTRALMUSEUM MAINZ, im Buch beiliegend)
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Von Kriegseligkeit keine Spur! Wir müssen umdenken!

Wenn das ursprüngliche  Danewerk aufgrund fehlender archäologischer Spuren bzw. Funde, die dafür sprechen, keine Verteidigungsanlage des neu gegründeten dänischen Reiches sein konnte und ausgeklügelte Kanale, wie der NOK heute, die gefährliche Umschiffung Jütlands vermieden, wirft das natürlich ein ganz anderes Bild auf unsere angeblich so rauen, einfach gestrickten, kriegerischen Vorfahren hier oben. Dabei kann es eigentlich keinen Zweifel mehr darüber geben, dass dieses Werk ein Zeugnis von Raffinesse, Offenheit, Toleranz und Diplomatie darstellt und, wenn auch viel später für Verteidigungszwecke umfungiert, nichts anderes. Es diente in seiner ursprünglichen Form friedlichen Zwecken: dem Handel zwischen den germanischen Volksstämmen der Sachsen, Dänen, Angeln und später den Friesen und Wenden (ja, auch die Wenden. Mehr dazu hier) und Völkern, die Handelsverbindungen mit unseren Vorfahren eingegangen sind! 

Wir müssen umdenken. Beiträge wie dieser sollen aufzuzeigen, wie es um unsere norddeutsche Geschichtsschreibung bestellt ist und das rein gar nichts getan wird, um die offensichtlichen Missstände der Vergangenheit endlich richtig zu stellen und Wissenslücken zu füllen. Wir reden hier nicht nur über eine eklatante Unstimmigkeit, sondern über eine große Anzahl davon, alleine in unseren Landen. 

Falls du es noch nicht getan hast, jetzt wäre der Zeitpunkt, sich mit der Karte oben auseinanderzusetzen! Begebe dich selber auf den Hohlweg, zur Thyraburg und den weitestgehend unbekannten Wällen und Gräben! Diese My Maps Karte kann wunderbar dafür verwendet werden, Wander- oder Radtouren zu planen.
 

Ergänzung 31.03.2024

 
Es ist nun etwa 5 Jahre her, seitdem ich diesen Beitrag veröffentlicht habe. Seither habe ich die Anlage mehrfach besucht, bin die Wallzüge abgelaufen, habe Bücher dazu gelesen; neue, richtungsweisende Erkenntnisse blieben jedoch aus. Was hatte es mit den Wallzügen im Tiergarten, dem sogenannten Alten Wall 1 und Alten Wall 2 (die übrigens nicht unter Denkmalschutz stehen) auf sich, weit abgelegen vom Rest des Danewerks und dann noch auf der anderen Seite der Schlei? 
 
Am Ostersonntag war ich mit meinen Kindern wieder vor Ort. Osterwanderung. Von der Kupfermühle ging es direkt durch den ehemaligen Burgsee zur Hubertusquelle auf die andere Seite (sehr zu empfehlen), unser Tagesziel. Geht man diesen einzigartigen Wanderweg durch die Feuchtwiegen des ehemaligen Burgsees bzw. der Schlei, stößt man, nach ungefähr 200 Meter hinter dem Hasselholmer Wasserlauf, auf einen gigantisch hohen Wall von Schätzungsweise 8 Metern Höhe. Die Frage zwingt sich auf: War dieser menschengemacht, wie die anderen Wälle? Wenn ja, was macht dieser Wall mitten am ehemaligen Burgsee? Er zieht sich ungefähr 50 Meter weit gen Norden und mündet in einer Art Halbkreiswall. Dies kann jeder feststellen, der ihn, so wie wir, erklimmt, und auf der Wallkrone entlanggeht. Wenn er menschengemacht war, wie die anderen Wälle, was für eine Funktion hatte er dann?
 
Dann kam uns die Idee! Wenn dieser Anlage als Bindeglied zwischen dem Alten Wall 1 und 2 auf der Nordseite (im Tiergarten) und dem Nordwall fungierte, würde sie sich ideal als Brückenbogen eignen, aufgrund ihrer zentralen Lage zwischen zwei Brückenabschnitten! Natürlich ist dies nur eine Hypothese, aber was für eine Erklärung kann es noch geben? Dass große Teile des Danewerks, aus offizieller Sicht als Transporttrasse (der Wall vor Hollingstedt - siehe Karte) diente, ist schließlich offenkundig. 
 
Fakt ist auch, dass die weit abgelegenen Abschnitte (Nordwall auf der Schlei Südseite und Altes Werk 1 und 2 auf der Schlei Nordseite) ebenfalls eine Funktion gehabt haben werden. Wäre eine Brücke nicht die naheliegendste Erklärung? Wenn man um die herausragenden handwerklichen Fertigkeiten unserer Vorfahren weiß, scheint es da nicht mehr als naheliegend, dass sie auch Brücken bauten, um unwegsames Terrain zu überwinden? Eine Brücke über die Schlei, welches die Südseite mit dem Land der Angeln verband. Warum vorher keiner darauf kam? Es wäre zu abwegig. Ressourcen würden verschwendet, denn es gilt ein Dogma, welches das ZENTRALMUSEUM MAINZ auf Seite 181 folgendermaße stellvertreten für das Establishment summiert...
 

"Die Hypothese [das der Kograben ein Schiffskanal war, wie 1966 im Spiegel geschildert] übersieht die unüberwindbaren Schwierigkeiten, die einem solchen Projekt [also auch anderen Infrastrukturprojekten], in früheren Zeiten entgegengestanden haben."

Richtig gelesen: Man traut unseren Vorfahren schlicht und einfach nicht zu, derartige Bauwerke erschaffen zu haben. Brücken, Häfen, kilometerlange Transporttrassen, Schiffskanäle. Der Bau dieser Anlagen stellte also unüberwindbare Schwierigkeiten dar? Dennoch gibt es jede Menge archäologische Relikte dieser Anlage, die zusammengenommen eine ganz andere Sprache sprechen, die aber lieber links liegen gelassen und nicht thematisiert werden. Die Abwehrbollwerkthese passt besser zu dem Bild, was wir über unsere Vorfahren haben sollen, bzw. zu dem, was uns seit jeher durch Bücher offenbart wurde (und dies bereits durch die Sieger, den Franken). Das größte Bodendenkmal Nordeuropas in der Schleswiger Landenge steht stellvertretend für den größten Geschichtsirrglauben unseres Landes. 
 
 

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