Hier die Karte: "Archäologische und historische Denkmäler auf der Schleswiger Landenge" (ZENTRALMUSEUM MAINZ K. SCHIETZEL, Zusatzkarte). Nach meinem Besuch am 31.03.2024 und meinen neue gewonnen Erkenntnissen vor Ort (siehe hier) habe ich diese Karte mit Positionen zu möglichen Brücken aktualisiert.
Das Danewerk: viel älter als gedacht!
Laut den Fränkischen Reichsannalen, in denen es das erste Mal schriftlich erwähnt wird, wurde der erste Abschnitt des Bauwerks um das Jahr 800 vom ersten dänischen König Gudfred errichtet. Hier geht es schon los: Die wahre Altersdatierung passt nicht ansatzweise zu dieser Angabe, selbst wenn der Bau dieser Anlage Harald Hildetand, dessen Existenz nicht historisch gesichert ist, ein paar Jahrzehnte vorher zugeschrieben werden würde! Durch die Auswertung von organischen Stoffen innerhalb der Wallanlage konnte die Errichtung des Danewerkes spätestens auf das Jahr 500(!!!) festgelegt werden. Allerdings wurde lediglich der zweitälteste Teil des Danewerks untersucht und nicht einmal der Älteste, was bedeutet, dass dieses Monument noch älter ist und noch viel viel älter sein kann! Auch wenn nur ein Regionalblatt darüber berichtete (unten zu sehen), wirft diese Tatsache natürlich die fundamentale Frage auf, wofür dieser angebliche Verteidigungswall hätte dienen können, ohne das neu gegründete dänische Königreich, für welches dieses angebliche Bollwerk ja zur Abwehr der kriegerischen Franken errichtet wurde (den Zeitungsbericht über diese archäologisch gesicherte Erkenntnis findest du unten). Fakt ist auf jeden Fall: Dieses Bauwerk hatte seinen Ursprung bewiesenermaßen NICHT in der Wikinger-Zeit (793-1066 n.Ch.). Es geht aber weiter: Befasst man sich mit archäologischer Literatur zu diesem Thema, staunt man umso mehr, wenn man auf derartige Aussagen stößt: "Es ist bisher nicht gelungen, Streckenführungen bzw. deren jeweilige Ausbauten mit Verteidigungskonzeptionen in Bezug zu setzen, die durch Geschichtsquellen belegt wären." (ZENTRALMUSEUM MAINZ K. SCHIETZEL, Seite 184)! Diesen Satz sollte jeder Interessierte einmal auf sich wirken lassen. Spätestens jetzt sollte einem klar werden, weshalb die englische Wikipedia-Seite die Kernaussagen dieses Artikels als Tatsachen anpreist, nicht aber, warum man auf der deutschen Seite nicht einmal ein Wort darüber verliert (https://en.wikipedia.org/wiki/Danevirke)! Passend hierzu auch ein Artikel des Spiegels aus dem Jahre 1966, der quasi wie selbstverständlich über die Funktion eines Wikinger Nord-Ostsee-Kanals südlich des Danewerks schrieb (diesen Artikel findest du unten). Das Danewerk befindet sich direkt in der sogenannten Schleswiger Landenge, erstreckt sich dort über 30 km und ist zu ca. 80 % noch erhalten geblieben. Nicht nur der Wall, auch der eben weit vorgelagerte Kanal (offiziell allerdings ein Verteidigungsgraben), der sogenannte Kograben, ist Teil dieses Bauwerks. Dieser 7 km lange, kerzengerade Kanal verband die Ostsee (Schlei) mit der Nordsee (Eider, Treene, Rheider Au). So war der damalige Nordseehafen Hollingstedt weit im Landesinneren von Schleswig-Holstein zu finden und die Treene war sogar noch Ebbe und Flut ausgesetzt (LIBSY, Seite 34)! Die Rheider Au (heutzutage noch ein kleiner Bach) war bis zu Beginn jenes Kograbens noch schiffbar. Das Landschaftsbild hat die alte Struktur des kompletten Wasserweges bis heute konserviert (GOLDMANN, Seite 9).Noch ein interessantes, wenn auch nicht weiter bekanntes Detail: Die Archäologie hat bis zum heutigen Tage keine Wegesspuren zwischen beiden wichtigen Handelspunkten Hollingstedt und Haithabu/Schleswig ausmachen können. Da ein entsprechender Weg zwischen beiden Handelszentren aber unbedingt vonnöten gewesen sein muss, bleibt die These eines Weges nördlich und somit im Schütze des Danewerks verlaufenden Weges archäologisch unbestätigt und ist nur eine "Vermutung" (SCHNELL, Seite 99).
Die ausgeklügelte Verkehrsanlage in der Schleswiger Landenge
Was am naheliegendsten bleibt, ist die Funktion eines sogenannten Straßendammes anstelle eines Verteidigungswalls! Dieser ermöglichte die Durchquerung des teils versumpften Gebietes problemlos zu Fuß, mit Karren oder Pferd! Diese Schlussfolgerung würde die fehlenden Spuren eines West-Ost Weges erklären! Archäologen, wie der Däne Henning Hellmuth Andersen, gehen sogar noch weiter und erklären, wie auf der englischen Wikipedia Seite nachzulesen, dass sogar ein zusätzlicher Graben den Hauptteil des Danewerks flankierte, der ebenfalls, wie der Kograben, als Nord-Ostsee-Kanal fungierte! (https://en.wikipedia.org/wiki/Danevirke)! Wer sich den Verlauf des Hauptwalls bis zum ehemaligen Dannewerker See, bis ins Jahr 1154 ging die Schlei noch bis an diese Stelle (VON MAACK, Seite 90), und von da über entsprechende Bauwerke (die immer noch existieren, aber weitestgehend unbekannt sind) und natürliche Wasserstraßen, auf der Karte oben angesehen hat, wird feststellen, dass diese Schlussfolgerung Andersens mehr als Sinn macht! Genial!
Von Kriegseligkeit keine Spur! Wir müssen umdenken!
Wenn das ursprüngliche Danewerk aufgrund fehlender archäologischer Spuren bzw. Funde, die dafür sprechen, keine Verteidigungsanlage des neu gegründeten dänischen Reiches sein konnte und ausgeklügelte Kanäle, wie der NOK heute, die gefährliche Umschiffung Jütlands vermieden, wirft das natürlich ein ganz anderes Bild auf unsere angeblich so rauen, einfach gestrickten, kriegerischen Vorfahren hier oben. Dabei kann es eigentlich keinen Zweifel mehr darüber geben, dass dieses Werk ein Zeugnis von Raffinesse, Offenheit, Toleranz und Diplomatie darstellt und, wenn auch viel später für Verteidigungszwecke umfungiert, nichts anderes. Es diente in seiner ursprünglichen Form friedlichen Zwecken: dem Handel zwischen den germanischen Volksstämmen der Sachsen, Dänen, Angeln und später den Friesen und Wenden (ja, auch die Wenden. Mehr dazu hier) und Völkern, die Handelsverbindungen mit unseren Vorfahren eingegangen sind!Wir müssen umdenken. Beiträge wie dieser sollen aufzuzeigen, wie es um unsere norddeutsche Geschichtsschreibung bestellt ist und dass rein gar nichts getan wird, um die offensichtlichen Missstände der Vergangenheit endlich richtigzustellen und Wissenslücken zu füllen. Wir reden hier nicht nur über eine eklatante Unstimmigkeit, sondern über eine große Anzahl davon, alleine in unseren Landen.
Falls du es bisher nicht getan hast, jetzt wäre der Zeitpunkt, sich mit der Karte oben auseinanderzusetzen! Begebe dich selbst auf den Hohlweg, zur Thyraburg und den weitestgehend unbekannten Wällen und Gräben! Diese My Maps Karte kann wunderbar dafür verwendet werden, Wander- oder Radtouren zu planen.
Ergänzung 31.03.2024
Es ist nun etwa 5 Jahre her, seitdem ich diesen Beitrag veröffentlicht habe. Seither habe ich die Anlage mehrfach besucht, bin die Wallzüge abgelaufen, habe Bücher dazu gelesen: Neue, richtungsweisende Erkenntnisse blieben jedoch aus. Was hatte es mit den Wallzügen im Tiergarten, dem sogenannten Alten Wall 1 und Alten Wall 2 auf sich (die übrigens aus für mich unerfindlichen Gründen nicht unter Denkmalschutz stehen), weit ab vom Rest des Danewerks gelegen und dann noch auf der anderen Seite der Schlei? Sie gelten offiziell als Teil des Danewerks, aber keiner weiß um ihre ursprüngliche Funktion. Am Ostersonntag war ich mit meinen Kindern wieder vor Ort. Osterwanderung. Von der Kupfermühle ging es direkt durch den ehemaligen Burgsee zur Hubertusquelle auf die andere Seite (übrigens sehr zu empfehlen), unser Tagesziel. Geht man diesen einzigartigen Wanderweg durch die Feuchtwiegen des ehemaligen Burgsees bzw. der Schlei, stößt man, nach ungefähr 200 Metern hinter dem Hasselholmer Wasserlauf, auf einen gigantisch hohen Wall von schätzungsweise 8 Metern Höhe. Die Frage zwingt sich auf: War dieser menschengemacht? Wenn ja, was macht dieser Wall direkt am ehemaligen Burgsee bzw. an der Uferlinie der damaligen Schlei? Er zieht sich ungefähr 50 Meter weit gen Norden und mündet in einer Art Bogenwall. Dies kann jeder feststellen, der ihn, so wie wir, erklimmt, und auf der Wallkrone entlanggeht. Wenn es sich tatsächlich um ein menschengemachtes Bauwerk handelt, und wenn man es erkundet, fällt es einem schwer, von etwas anderem auszugehen, was für eine Funktion hatte es dann?
Auf dieser Aufnahme lässt sich die Dimension des Walls gut ausmachen.
Der Sieger schreibt die Geschichte
Dass die weit abgelegenen Abschnitte (Nordwall auf der Schlei Südseite und Altes Werk 1 und 2 auf der Schlei Nordseite) eine Funktion gehabt haben werden, ist ein weiteres unumstößliches Argument für eine Transportfunktion der gesamten Anlage und ein eindeutiges gegen eine vermeintliche Verteidigungsfunktion, denn diese waren, wie der Kograben, der Bogenwall oder der Vorgraben von Haithabu (alle in der Karte aufgeführt mit wissenschaftlichen Hinweisen hierzu) für Verteidigungszwecke schlicht unbrauchbar. Ja, sogar kontraproduktiv und somit eine Gefahr für die gesamte Anlage!Wenn man um die herausragenden handwerklichen Fertigkeiten unserer Vorfahren weiß, scheint es da nicht mehr als naheliegend, dass sie auch Brücken, Straßendamme und Holzbohlenwege sogar auf Hängen bauten, um unwegsames Terrain zu überwinden? Ein ausgeklügeltes Transportsystem, was sogar über die Schlei verlief und alle heutzutage links liegen gelassenen Abschnitte der Anlage einen Nutzen verlieh? Warum vorher keiner darauf kam? Es herrscht leider ein unumstößlich scheinendes Dogma in unserem Establishment, welches das ZENTRALMUSEUM MAINZ auf Seite 181 (ein ausschließlich von Archäologen verfasstes Buch) summiert......
Richtig gelesen: Man traut unseren Vorfahren schlicht und einfach nicht zu, derartige Bauwerke, die rein friedlichen Zwecken dienten, erschaffen zu haben, da es gegen alles spricht, was man über sie zu wissen vermag. Eine unhaltbare Abwehrbollwerkthese passt schlicht besser zu dem Barbaren-Bild, was wir anscheinend genau so über unsere Vorfahren haben sollen, bzw. zu dem, was uns seit jeher durch Bücher offenbart wurde (und dies bereits durch die Sieger, die Franken, wie wir aus den fränkischen Reichsannalen entnehmen können). Gemäß dieser Überlieferungen scheint es so, als warteten die Menschen hier oben nur darauf, von den Franken und späteren Feudalherren befreit zu werden, um endlich in einem straff organisierten Staat in Frieden leben zu können. Nur gibt es bei all diesen Überlieferungen ein Problem: Schreibt nicht der Sieger die Geschichte?"Die Hypothese [dass der Kograben ein Schiffskanal war, wie 1966 im Spiegel geschildert] übersieht die unüberwindbaren Schwierigkeiten, die einem solchen Projekt [also auch anderen Infrastrukturprojekten], in früheren Zeiten entgegengestanden haben."
Das größte Bodendenkmal Nordeuropas mit seinen vergessenen Abschnitten steht stellvertretend für den größten Geschichtsirrglauben unseres Landes. Helfe auch du, dies zu ändern. Begebe dich auf die Abschnitte der Anlage, die schlicht unbekannt sind, setzte dich mit ihnen auseinander und teile dein Wissen mit anderen. Dieser Beitrag und diese Karte helfen dir dabei.