Immer wieder bin ich erstaunt darüber, welche Geschichtsschätze in unserem Bundesland im Verborgenen liegen. Nach jedem veröffentlichten Beitrag denke ich, dass nun aber wirklich alles ausgeschöpft sei, aber weit gefehlt…

Mittelalterliche Ringwall-Burgen. Um diese bis zu 330m Durchmesser großen Relikte vergangener Tage machte ich bisher immer einen Bogen. Noch mehr Herrschaftsbauten? Nein danke. Schleswig-Holsteinischen Turmhügelburgen widmete ich mich bereits ausgiebig im erfolgreichsten Beitrag dieses Blogs vor fast genau 3 Jahren (Turmhügelburgen - Zeugen einer systematischen Unterdrückung). Ich hatte schlicht und einfach genug von diesem Thema. Dann änderte ein Beitrag des Hamburger Abendblatts, auf welchen ich zufällig vor zwei Monaten stieß, plötzlich alles. 

Eine Ringwall-Burg ist in Wirklichkeit Nordeuropas ältester Hafen! "Die Entdeckung ist eine archäologische Sensation. […] Bei den Ausgrabungen an der sogenannten Schwingeburg in Groß Thun waren die Archäologen auf Holzpalisaden sowie auf das Holzruder eines frühmittelalterlichen Schiffes gestoßen.“ (Quelle) Wie bitte? Eine zuvor als Ringwall-Burg betitelte Anlage ist in Wirklichkeit Nordeuropas ältester Hafen? Ich fragte mich sofort, was es mit den Dutzenden von Ringwall-Niederungsburgen in Schleswig-Holstein auf sich hatte, deren Reste allesamt der Schwingeburg bei Stade ähneln bzw. gleiche Eigenschaften aufweisen. Waren auch Sie Häfen? Dann würde sich ihre Funktion gänzlich von der der Turmhügelburgen unterscheiden, sie waren keine Eroberungs- und Herrschaftsbauten, sondern dienten friedlichen Zwecken. 

Fakt ist: Dieser als solcher ausgemachte Hafen-Ringwallrest bei Stade liegt heute 4 Meter über dem Wasserlevel der Elbe, bzw. der Schwinge und liegt gänzlich trocken, genauso wie 42 weitere Anlagen in Schleswig-Holstein! Mit Hilfe eines für unsere Geschichte unbezahlbaren Buchwerkes – Arthur Dähns „Ringwälle und Turmhügel – Mittelalterliche Burgen in Schleswig-Holstein“ (ein 435 Seiten großer Wälzer im Format eines Atlasses) ging ich der Sache auf dem Grund und fasste alles zusammen, was dieser passionierte Heimatkundler in 11 Jahren Arbeit (es war das Thema seines Lebensabends) zu ähnlichen Anlagen wie der bei Stade herausfand. Es entstand die umfangreichste interaktive Karte und wahrscheinlich mit der wichtigste Beitrag dieser Seite...

Falscherweise jahrhundertelang als Burg bezeichnet: Nordeuropas ältester Hafen

Welch eine bedeutsame Erkenntnis! Gemäß des Artikels des Hamburger Abendblatts ist dieser Hafenfund eine Sensation! Jahrhundertelang galt die Funktion dieses Ringwalls als gesichert und jetzt das: sie diente niemals als Festung! Natürlich drängte sich jetzt folgende Frage auf: Was für gleichartige Anlagen aus der Wikingerzeit (793-1166 n. Chr.) gab es noch, die heutzutage ebenfalls als Burgen gelten? Sofort erinnerte ich mich an die Ringwallanlage Einfeld, nördlich von Neumünster, die ich 2017 besuchte. Ich recherchierte und tatsächlich! Wie in Stade weist auch diese Anlage exakt die gleichen Eigenschaften auf: Ringwallburg, 100 Meter Durchmesser, 4 Meter über dem heutigen Wasserlevel. Ich durchblätterte jede einzelne Seite von Arthur Dähns Lebensabendwerk (2001), "Ringwälle und Turmhügel" (an dem er zwischen 1987 und 1998 gearbeitet hat) und stieß auf exakt 42 Anlagen, allein in unseren Landen! Ich fasste ihre Eigenschaften zusammen. Mittels einer Matrix, die größtenteils auf Dähns Arbeit und den Ergebnissen einer frei nutzbaren Topographie-Karte basiert, ließen sich die Gemeinsamkeiten dieser Anlagen leicht und für jeden nachvollziehbar zusammenfassen.
Tabelle Ringwälle und Häfen

Um das Bild zu vergrößern (Smartphone), einfach auf das Bild oder diesen Link klicken.

Wer die für diese Gegenüberstellung fundamental wichtigen Höhenangaben nachprüfen möchte, dem empfehle ich diese topographische Karte: https://de-de.topographic-map.com

Jede einzelne dieser Anlagen, ihre Höhenangaben sowie ihre genauen Positionen lassen sich auch in dieser interaktiven Karte ermitteln. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sich mindestens eine davon auch in deiner Nähe befindet.


Diese Karte soll eine Übersicht verschaffen und zeigen, wie diese Anlagen, die Dähn in seinem Werk aufgeführt hat, auf dem Wasserweg der Wikingerzeit (793 n.Chr. - 1166 n.Chr.) erreichbar waren. Nicht nur Ringwall-Häfen, auch Anlagen, die offiziell als Häfen dienten, wie Hollingstedt oder Haithabu (war Haithabu nicht auch eine große Ringwallhafenanlage?), werden darin aufgeführt. Sie eignet sich hervorragend dafür, selbst auf Erkundungstour zu gehen. Alle Ringwall Pins enthalten eine topographische Karte, um die Höhenunterschiede ausmachen zu können.

"Manch dieser Anlagen ist der Zerstörung freigegeben, andere sind ungepflegt und verwahrlost und bedürfen dringend der Konservierung." (DÄHN, Seite 431) Als Anregung machte Herr Dähn den Vorschlag, diese Objekte in die pflegerische Obhut der Gemeinden zu geben, die mittels ehrenamtlicher Helfer die Anlagen und Zugänge erhalten. Die Pflege dieser Anlagen dient dem Erhalt des kulturellen Erbes Schleswig-Holsteins. Dieser Kulturerhalt war dem Hamburger Arthur Dähn 11 arbeitsreiche Jahre seines Lebens wert.

Update 22.1.23 (Anlagen auf Hochplateaus)
Dähn führt in seinem Buch 5 Anlagen auf (blaue Pins), die nicht zu den 42 in der Karte angegebenen Ringwallhafenanlagen (braune Pins) gezählt werden können, da sie nicht in Niederungen lagen, die aber aus der gleichen Zeit stammen. 3 zusätzliche Anlagen aus Angeln und Mecklenburg-Vorpommern habe ich verständnishalber mit aufgeführt; sie erfüllten wohl den gleichen Zweck.

Erstmal muss man wissen, dass Schleswig-Holstein „nur eine einzige echte Hochburg hatte“ (DÄHN, Seit 375): die Kalkberg-Burg in Bad-Segeberg. Diese wurde aber erst 1130 errichtet, wird also nicht in dieser Karte aufgeführt. Von den anderen 8 Anlagen, die sich nicht in Niederungen befanden, liegen 7 direkt an bedeutsamen Zugängen zu Inseln oder Halbinseln! Das ist eine interessante Erkenntnis! Waren sie Mautstationen? Sicherlich dienten sie dazu, die Warenströme bzw. die Verkehrswege zu überwachen. Fest steht: Herrschaftsbauten direkt an bedeutsamen und stark frequentieren Wegen und Flussübergängen waren an dieser Stelle mehr als suboptimal.

Was ist mit der anderen Anlage, die nicht ins Muster passt und die von Dähn als Burg auf einem Hochplateau angegeben wurde, der sogenannte Oldenburger Wall bei Lehmrade? Diese Anlage ist ein Unikat! Als Burg ohne Burgtor und Graben diente sie sicher nicht. Sie war zudem der Mittelpunkt für einen Kranz wendischer Dörfer (DÄHN, Seite 93). Mehr Informationen zu den einzelnen Anlagen erhältst du auf den blauen Pins.


Ringwallanlagen überall!

Arthur Dähns Meisterwerk „Ringwälle und Turmhügel“, das er gemäß eigener Aussagen so nur mit Hilfe von Fachexperten publizieren konnte (in seinem Nachwort erwähnt er u.a. den damaligen Leiter der Archäologischen Landesamtes in Schleswig, Prof. Dr. J. Reichstein, der auch das Vorwort des Buches geschrieben hat), unterscheidet zwei Burgtypen. Dem Turmhügelburgen-Typen widmete ich mich bereits vor 3 Jahren in diesem Beitrag. Sie dienten der systematischen Eroberung und Unterjochung der Bevölkerung. Was hat Dähn aber über diese 42 wikingerzeitlichen Ringwälle herausgefunden? Gibt es Hinweise auf ihre Funktion, die von dem Narrativ abweichen, dass sie Burgen waren? Diesem Punkt widmete er sich im dritten Abschnitt seines Buches. 

 

Legende Karte

Welch wertvolle Arbeit. Insgesamt machte Dähn 412 Burgreste in Schleswig-Holstein aus und verwies auf ihre genauen Positionen. Ohne seine Arbeit gäbe es auch diesen Beitrag nicht.

Wegenetz um Eggebek

Hier ein Ausschnitt aus dem dritten Abschnitt. Diese Aussage auf Seite 12 sollte jeden Geschichtsinteressierten sehr verstören: „Archäologische Untersuchungen zeigen, dass nur ganz wenige der Anlagen während der 500-jährigen Epoche slawischer Besiedlung genutzt wurden, z.B. Oldenburg oder Alt-Lübeck“ (DÄHN, Seite 12). Richtig gehört, von den sich im östlichen Holstein befindlichen Rundburgen wendischen/slawischen Ursprungs (25 Niederungsburgen insgesamt) wurden in der Zeit zwischen 700 und 1200 n.Chr. so gut wie keine genutzt!

Karte groß

Und die Burgen im Westen unseres Bundeslandes? „Die Zahl der archäologischen Funde [in sächsischen Burgen], mit Ausnahme der Kaaksburg [siehe interaktive Karte], ist viel geringer als in den slawischen [wendischen] Befestigungen (DÄHN, Seite 13).“ Noch geringer? Die wendischen Anlagen wurden fast ausnahmslos 500 Jahre lang nicht als Burgenanlagen genutzt. Diese Aussage impliziert, dass die sächsischen Ringwall-Anlagen auch nicht als das gedient haben, was uns offiziell suggeriert wird. 

 

Ohne archäologische Funde, die auf Burgen schließen lassen würden, kann es sich, mit Ausnahme der Kaaksburg (die gemäß Wikipedia wohl ebenfalls mit dem Schiff zu erreichen war) nicht um Befestigungs- bzw. Wehrbauten gehandelt haben. Entsprechende Gebäude, die darauf schließen lassen würden, hätten sich schließlich leicht archäologisch in diesen Anlagen ausmachen lassen müssen. Fakt ist aber, man fand in 12 der 13 sächsischen Anlagen nichts bzw. noch weniger, als in den wendischen, die ja bis auf wenige Ausnahmen 500 Jahre lang überhaupt nicht genutzt wurden.  

In einem Hafenbecken sucht man typische Burggebäude und andere archäologische Spuren, die auf eine Burg lassen würden, schließlich vergebens. Um an dem bestehenden Burgnarrativ festzuhalten, bleibt einem dann nur das Argument, dass die Burgen schlicht und einfach ungenutzt blieben. Der Ruderfund in Stade beweist aber, dass sie sehr wohl genutzt wurden, nur eben nicht als Burganlagen.

Damit aber noch nicht genug: „Allen Walltypen gemeinsam war der enorme Verbrauch an Holz." (DÄHN, Seite 12) Wozu diese immense Ressourcen-Verschwendung, wenn diese riesigen Objekte nach erfolgreicher Fertigstellung nicht einmal einen Nutzen hatten? War unseren Vorfahren schlicht langweilig? Waren sie gerne verschwenderisch? Wohl kaum.

Genauso wie die archäologischen Untersuchungen über Hamburgs ersten Hafen alle bisherigen Verlautbarungen über Hamburgs Geschichte 2021 plötzlich auf den Kopf stellten (der Hamburger Hafen hat hiernach übrigens dieses Jahr 1000-jährigen Geburtstag!) so zeichnen wissenschaftliche Untersuchungen dieser Ringwall-Anlagen ebenfalls ein gänzlich anderes Geschichtsbild: Burgen waren sie ganzheitlich gesehen nicht, so viel steht fest und der Hafenfund in Stade lehrt uns, was es mit all diesen Anlagen auf sich gehabt haben muss, wenn man dazu noch die gänzlich unterschiedliche Uferlinie bis ins Hochmittelalter mitberücksichtigt... 

Wenn Niederungsburgen aus der Wikingerzeit eigentlich Häfen waren…

was weiß man über die damaligen Wasserwege? Genau wie die Schwingeburg bei Stade wird offiziell bestätigt, dass die Kaaksburg bei Itzehoe (Quelle) und die Tinnumburg auf Sylt (Quelle) bis in die Wikingerzeit über den Wasserweg erreichbar waren. Auch die schwedische Ostsee-Hafenanlage Birka war dies. Birka wurde, gemäß englischer Wikipedia, aufgrund der Meeresspiegelsenkung im Mittelalter verlassen (Quelle). Auf der deutschen Wikipedia wird die Aufgabe Birkas indes als schlicht unerklärlich dargestellt (Quelle). 

Karte groß

Hier ein Bild der englischen Wikipedia über den wikingerzeitlichen Uferverlauf der Ostsee bei Birka und die Quelle zu dem Bild. Schon ironisch, dass ausgerechnet eine topografische Zeichnung mit deutschen Bezeichnungen auf der englischen Wikipedia verwendet wurde. Es wird ebenfalls von einer Senkung des Meeresspiegels um 5 Meter ausgegangen. War dieser Rückgang des Meeresspiegels auch der eigentliche Grund für Haithabus Ende? Beide Anlagen, Haithabu und Birka, ähneln sich sehr. 

Karte groß

In Schleswig findet man vor Ort leider keine Hinweisschilder dazu, aber Alt-Schleswig hatte bis ins 12te Jahrhundert einen zweiten Hafen, den Norderhafen. Heute das Holmer Noor (ZENTRALMUSEUM MAINZ, Seite 151).

Karte groß

Schleswigs Uferlinie lag etwa 5 Meter über der heutigen, das hat die Feuchtbodenarchäologie bewiesen. Felix Rösch verweist in seiner Dissertation im Fach Ur- und Frühgeschichte an der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel auf diese alte Uferline des 11./12. Jahrhunderts. Welch wichtige Erkenntnis! Er hat seine Dissertation hier geteilt. Er verwendet darin tolles Kartenmaterial, Grafiken und Zeichnungen von Alt-Schleswig.

 

Wusstest du, dass die Schlei bis ins Jahr 1154 an die Ortschaft Dannewerk reichte, etwa 3 km südlich von Schleswig (VON MAACK, Seite 88)? Genau hier, an der Scheide des Danewerks, befand sich auch die sogenannte Thyraburg. Oder war auch sie ein Hafen? Auf jeden Fall eine ideale Position bzw. Ausgangsbasis, um Waren umzuschlagen und dieses Transportsystem (das bedeutsamste Bodendenkmal Nordeuropas!) zu nutzen. Die Höhe der Anlage über der ehemaligen Schlei? 4 Meter. Etwas westlich von dieser Anlage entspringt heute die Rheider Au. Muschel- und Schalenreste der Nordsee ließen sich in und um sie bis zur Ortschaft Klein Rheide ausmachen (VON MAACK, Seite 88)! Heutzutage nicht vorstellbar, doch auch die Rheider Au war bis hier schiffbar und Ebbe und Flut ausgesetzt (SCHNELL, Seite 64). Genau hier, bei Klein Rheide, beginnt der kerzengrade Kograben, der bis in die Selker Noor führte. Ein idealer Schiffskanal, wenn man so will ein Nord-Ostsee Kanal. Genau so wurde er auch in einem Spiegel Beitrag von 1966 angepriesen (mehr dazu in der interaktiven Karte oben).

Wenn unsere Historiker und Archäologen diesbezüglich auch kein Fass aufmachen, bzw. es gänzlich ausblenden, so sei hier erwähnt, dass es auch einen enorm bedeutsamen Hafen bis ins Hochmittelalter in Brarup gegeben haben muss. Fakt ist, dass die Füsinger Au bzw. die Oxbek bis ins Hochmittelalter Angelns „zentrale Siedlungsader“ bildeten, von der Schlei bis nach Nord-, bzw. Süderbrarup führten und ebenfalls bis zum Ende der Wikingerzeit noch schiffbar waren (Quelle)!

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Süderbrarup wurde, auch wegen seiner heiligen Quelle und dem Thorsberger Moor, von unseren Vorfahren stark frequentiert (Quelle) und sein Wasserweg von der SHZ in diesem Beitrag als „zentrale Siedlungsader“ Angelns bezeichnet (Quelle).

 

Alt-Brarup war ein enorm bedeutsamer Wallfahrtsort. Hier befindet sich, direkt unter dem Süderbraruper Marktplatz, Deutschlands größtes Gräberfeld (Quelle)! Wann beginnt also die Suche nach dem Alt-Braruper Hafen, liebe Archäologen? Wäre der Wallberg Ox, nördlich von Brarup, direkt an der Oxbek gelegen, nicht für einen stattlichen Hafen, den Alt-Brarup gehabt haben muss, prädestiniert gewesen? Dieser Wallberg liegt heute, 3-mal dürft ihr raten, 4 Meter über der Oxbek. Ob Alt-Brarups Hafen hier lag, werden wir wohl ohne eine angemessene Initiative nie erfahren, denn das Areal um den Wallberg Ox ist heute ein Naturschutzgebiet. Wieso fangen örtliche Historiker aber nicht trotzdem langsam mal an, ein Bewusstsein für dieses wichtige und spannende Thema zu schaffen? 

Schleswig-Holstein - vom Wasser umgeben, von Meer durchzogen

Lasst uns doch mal kurz festhalten: Die Anzahl natürlicher Wasserwege war zur Wikingerzeit beträchtlich, da der Wasserstand auch was Binnengewässer angeht, ganz anders war als heute. Die Elbe (aufgrund der Position des Stader Mittelalterhafens) und die Schlei (aufgrund des von der Feuchtboden Archäologie ausgemachten Uferlinie von Alt-Schleswig) waren bis zur Wikingerzeit um etwa 5 Meter höher. Ganz Schleswig-Holstein war von Wasserstraßen, wie der Füsinger Au, der Rheider Au oder selbst der Grimsau durchadert (heute unbedeutende Flüsschen), die unsere Vorfahren selbstverständlich nicht ungenutzt ließen.

 

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Eher ein Inselreich als ein Teil des Festlandes. Hier zu sehen Schleswig-Holstein ohne Deiche (Aufnahme aus dem Multimar-Wattforum in Tönning), welches unsere Gefilde ohne Anlagen zum Hochwasserschutz zeigt.

 

Da die Schlei und die Elbe als verlängerter Meeresarm fungierten, so wie heute noch, war das Wasserlevel daher auch von Nord- und Ostsee um ein Vielfaches höher. Eine wichtige Erkenntnis, die der Masse von uns aber schlicht unbekannt ist. Es wird uns suggeriert - beispielsweise auch durch das Kartenmaterial, das in der Schule verwendet wird - als sei die heutige Seen- und Flusslandschaft unverändert seit der Wikingerzeit. Darüber hinaus macht man der unwissenden Bevölkerung Angst, dass der Wasserpegel in ein paar Jahrzehnten um ein paar Dutzend Zentimeter (wieder) steigen könnte (so wie in diesem Beitrag der NDR). Wir sehen besorgniserregende Graphen, die man in einer Studie extra hat erstellen lassen (mit welchen Geldern eigentlich?). Wieso sagt man uns nicht, wie „besorgniserregend“ die Uferlinie vor noch etwa 900 Jahren alleine in unserem Bundesland aussah? Ist eine derartige Berichterstattung ein schlechter Witz oder bewusste Panikmache vor einem angeblich menschgemachten Klimawandel? Was sorgte schließlich in bzw. vor der Wikingerzeit für einen derart massiven Anstieg des Wasserpegels (5 Meter!), wenn es kein menschgemachtes CO2 gewesen sein konnte? Was sorgte für die massive und plötzliche Meeresspiegelsenkung im 12ten Jahrhundert?

Über Schanzen aus dem 30-jährigen Krieg, die gar keine waren

Es geht aber weiter: Schlicht unfassbar fand ich, als ich begann, mich intensiv diesem Thema zu widmen und herausfand, dass die bewusst gewählte Bezeichnung „Schanze“ (Ringwälle werden übrigens auch so genannt) einfach und pauschal auf alle Überreste von vorgeschichtlichen Wällen übertragen wurde! So heißt es auf Wikipedia wörtlich wie folgt:

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Es ist wirklich kaum zu glauben, aber die Wissenschaft sagt uns seit mehr als hundert Jahren, dass vorgeschichtliche Wallanlagen schlicht Schwedenschanzen aus dem 17ten Jahrhundert waren (Quelle). Ist dies Bequemlichkeit oder Absicht? Wieso räumt das Establishment heute nicht mit dieser Unwahrheit auf? 

Die erschütternde Wahrheit ist, dass in all den Jahrhunderten, also "seit der Herausbildung der Archäologie" sich bisher niemand die Mühe gemacht, mal zusammenzutragen, welche es genau von diesen Wallanlagen gibt, was sie ausmachte und wo sie überall vorzufinden sind bzw. ob es Schnittmengen gibt. Man nennt sie völlig zu Unrecht pauschal Schanzen, oder genauer gesagt Schwedenschanzen aus dem 17ten Jahrhundert, und meint offenbar, dass sich der Unwissende damit zufrieden zu geben hat. In Anbetracht der hohen Anzahl von studierten Berufsarchäologen und -Historikern, allein in unserem Bundesland, ist diese Tatsache einfach nur beschämend! Wieso verwirrt man uns absichtlich und räumt nicht mal mit dieser gigantischen Falschbehauptung auf? Hatten diese vorgeschichtlichen Wälle, genauso wie die falscherweise als Schanzen bezeichneten Ringwälle, auch etwas mit der Binnenschifffahrt zu tun?

Wie lässt sich herausfinden, wo sich noch Überreste von ihnen befinden? Die Seite Strassenkatalog.de bietet beispielsweise die Möglichkeit, Straßennamen und ihre Positionen deutschlandweit ausfindig zu machen. Ich suchte nach allen Straßennamen mit dem Begriff „Schanze“ und tatsächlich, jede Menge Ergebnisse! Lagen an diesen Straßen tatsächlich auch mal vorgeschichtliche Wallanlagen, die als Schiffsanleger dienten und einfach über Jahrhunderte links liegen gelassen, geschliffen oder überbaut wurden? Dann gäbe es noch viel mehr als die 42 von Dähn ausgemachten Anlagen in unserem Bundesland! Such' doch selber mal nach Schanzen in der Nähe deines Wohnortes. Dies habe ich getan. Bei mir befinden sich sogar zwei! Könnten auch sie Binnenhäfen gewesen sein? Um das herauszufinden, musste ich erstmal feststellen, ob sie an den wikingerzeitlichen Uferlinien lagen...

Schwedenschanze Elmshorn
Schwedenschanze Elmshorn
Schanze Bilsen
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Eine typische Schanzenstraße
Die "Schanze" in Elmshorn
Eine naheliegende Funktion
Noch eine Schanzentraße in meiner Nähe
Blick von Bilsen die Kieler Straße hinunter
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Zeit zum Umdenken!

Selbst auf Wikipedia wird eingeräumt, dass heute so in dieser Form nicht mehr existierende Wasserwege, verbunden auch mit Nord- und Ostsee, noch bis in die Wikingerzeit bestanden haben, so wie bei der Kaaksburg bei Itzehoe, der Tinnumburg auf Sylt oder Birka in Schweden. Man rufe sich nur nochmal die alte Uferlinie von Alt-Schleswig inklusiv Norderhafen ins Bewusstsein, welche gemäß Feuchtbodenarchäologie noch bis ins 12te Jahrhundert 5 Meter über der heutigen lag. Wir sprechen hier von Tatsachen, die nicht ausreichend thematisiert und es daher auch nicht in unser Bewusstsein geschafft haben, obwohl diese Erkenntnisse einen gravierenden Unterschied in unserem Geschichtsverständnis machen würden.

Warum? Genau wie beim Danewerk, welches, wenn man alle Wallabschnitte und das hohe Alter des bedeutsamsten Bodendenkmals Nordeuropas sowie die gänzlich andere Seen- und Flusslandschaft mit berücksichtigt, friedlichen Zwecken diente, muss der Schluss lauten: Unsere Vorfahren waren keineswegs Barbaren, sie waren vor allem friedvoll und sie standen im engen Austausch, egal ob Sachsen, Jüten, Angeln, Wenden oder Friesen. Ihre Hafenanlagen weisen allesamt ähnliche Eigenschaften auf. Diese Schiffsanleger verband sie damals genauso, wie Häfen uns Menschen noch heute verbinden. Sie waren Tore zur Welt! 

Burgen oder angebliche Wehrbollwerke standen indes stellvertretend für unüberwindbare Konflikte, Machtergreifung und -ausübung. Sie stellten die einzige Möglichkeit dar, der Kriegstreiberei des unliebsamen Nachbarn Einhalt zu gebieten oder erobertes Gebiet zu sichern. 
Torheit, Unverfrorenheit, Kriegslüsternheit.  Wenn man es nicht besser wüsste, passen doch nur diese Eigenschaften zum gängigen Bild, das wir über unsere Vorväter der Wikingerzeit haben, oder? Aber schreibt nicht der Sieger die Geschichte? Wer übernahm denn spätestens nach der Wikingerzeit das Zepter der Macht gänzlich in unseren Landen? Wer waren die Sieger? Richtig. Die Franken und die römische Kirche. Hunderte Turmhügelburgen (fränkische Motten) dienten der blutigen Eroberung und Unterdrückung, genauso wie zwischen dem 17ten - 19ten Jahrhundert die Forts in Nordamerika (ZILLMER, Seite 168).

Geschichtsbücher zu fälschen steht nach der Eroberung eines jeden Feindes an erster Stelle. Dann wird aus einem Hafen, dankenswerterweise stehen sie ja seit dem 12ten Jahrhundert trocken, eben mal eine Burg mit allen damit verbundenen Implikationen für die nachfolgenden Generationen. Schlimm ist nur, dass es nach all den Jahrhunderten keine Bestrebungen unseres Establishments gibt, endlich mal mit diesen fundamentalen Geschichtsirrtümern aufzuräumen, denn von massiven Geschichtsfälschungen aus dem Mittelalter weiß unser Establishment sehr wohl und phasenweise kommen diese Erkenntnisse auch mal über die Presse zum Vorschein, wie hier zu lesen.

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Hamburger Abendblatt Auszug von 11.09.2021. ("Hamburger Hafen ist viel älter")
Alte schriftliche Quellen sind schlicht unglaubwürdig und verfolgen in der Regel politische Zwecke. Wieso halten wir aber dennoch dermaßen an ihnen fest?


Die Frage muss erlaubt sein: Ist man einfach nur zu bequem oder wer hat etwas von dieser immernoch allgegenwärtigen Desinformation, wenn man nur an die irreführende pauschal gewählte Bezeichnung "Schwedenschanzen" für frühgeschichtliche Anlagen denkt oder die Passivität unseres wissenschaftlichen Establishments, was alleine dieses Thema angeht? Wenn Burganlagen 500 Jahre lang schlicht nicht als Burgen genutzt wurden, dann hätte spätestens nach dem Hafenfund in Stade im Jahr 2007 alle Hebel in Bewegung gesetzt werden müssen, um großflächig mit diesem Geschichtsirrtum aufzuräumen.

Wer hat etwas von der Angstmache um das Steigen des Meeresspiegels, wenn fest steht, dass dieser sich noch vor etwa 900 Jahren aus einem aus heutiger Sicht mehr als beängstigend hohem Level lag und das ganz ohne menschliches Einwirken? So viel steht fest: Viele Ortschaften in Schleswig-Holstein würden heute komplett oder zu großen Teilen unter Wasser liegen!

Von Kriegsseligkeit und Konflikten - wieder einmal - keine Spur

Arthur Dähn war es ein großes Anliegen, das Wissen um diese Anlagen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Lasst uns dies auch nicht zulassen, bzw. umgekehrt, lasst uns diese Anlagen, die friedlichen Zwecken dienten, wieder ins Bewusstsein rufen. Ihre Reste befinden sich teils völlig verkommen in unserer Nähe, sind aber, obwohl völlig verwahrlost, ein wichtiger Teil von uns und unserer Kultur. Sie sind wichtige Eckpfeiler unserer Geschichte, die uns verstehen lassen, wer unsere Vorfahren wirklich waren.

Falls du es noch nicht getan hast, jetzt wäre die Zeit, sich auf die Suche zu begeben und aktiv zu werden. Die interaktive Karte hilft dir dabei, eigene Erkundungstouren zu starten und dich direkt zu den Resten dieser Anlagen zu begeben. Lasst uns die Verantwortung übernehmen und nicht länger warten, bis die Mühlen der Geschichtsverwaltung endlich zu mahlen beginnen und mit den fundamentalen Geschichtsirrtümern aufräumen. Denn wer soll den notwendigen Sinneswandel des Establishments auf einmal forcieren? Lasst uns unser Wissen teilen, damit sich etwas tut. Denn unsere schleswig-holsteinische Geschichte ist viel interessanter und vor allem wichtiger, als allgemein angenommen; sie für sich neu zu entdecken ist unglaublich wertvoll. Wir tun es nicht nur für uns: Wir sind es unseren Vorfahren, unseren Kindern und kommenden Generationen schuldig. Jeder von uns. 

 

 

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